muslimbruderschaft

Update: Kleine Netzschau Ägypten

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CC: Al Jazeera

Salon: Egypt Q&A: Answers to basic questions about a revolution

We’ll stick to the classsic „Who, What, When, Where, Why, How?“ format to make it easy to wade through the information.

NachDenkseiten / Spiegelfechter: Diktatorendämmerung

Ägypten ist für die deutsche und europäische Politik zuallererst ein Stabilitätsfaktor. De facto ist Ägypten seit 1952 eine Militärdiktatur mit präsidialem Anstrich. Im Kalten Krieg war das Land Spielball der Blöcke. Husni Mubarak war seit seiner Amtsübernahme im Jahr 1981 ein treuer Verbündeter des Westens. Neben der Abkehr von der Sowjetunion konnte das ägyptische Militärregime vor allem durch seine gemäßigte Positionierung gegenüber Israel im Westen Freunde gewinnen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war Mubarak für den Westen vor allem als Bollwerk gegen den Islamismus von unschätzbarem Wert. (…)

Der Preis für Stabilität war im Falle Ägyptens die Unterstützung einer folternden Militärdiktatur, die jegliche Opposition gewaltsam unterdrückt. Diesen Preis zahlte und zahlt der Westen jedoch gerne. In seiner Realpolitik ist kein Platz für “Demokratie” und “Menschenrechte”. (…)

Seit den jüngsten Aufständen in der arabischen Welt hat sich natürlich auch die Sprache der westlichen Politik flugs geändert. Auch wenn die deutschen “Nachrichtensender” lieber Konserven über “Megatrucks” und “Gefährliche Raubkatzen” ausstrahlen, während sich in Ägypten eine Revolution abspielt, stellt natürlich auch der deutsche Wähler Fragen. Warum demonstrieren die Menschen? Ist unser Lieblingsurlaubsland etwa keine lupenreine Demokratie? Warum haben unsere Politiker nie etwas dazu gesagt? Auf diese Fragen kann die Politik natürlich keine klaren Antworten geben, die den Wähler nicht verstören würden. (…)

Bis heute wird in den westlichen Medien die Machtfrage in der arabischen Welt meist so dargestellt, dass die einzig mögliche Alternative zu den kleptokratischen Diktaturen radikalislamistische Theokratien seien. “Alternativlos” ist jedoch zu Recht das Unwort des Jahres und auch die Machtfrage in den arabischen Ländern ist keinesfalls alternativlos. Sogar die Muslim-Brüderschaft ist – Experten zufolge – eine heterogene Bewegung, die in großen Teilen nicht radikal-islamistisch, sondern eher sozialkonservativ ist.

Netzpolitik: Ägypten: Wie die Infrastruktur, so die Politik

Die Technik mit der der Iran TOR blockieren konnte, stammte von Nokia/Siemens. Die Technik mit der in Ägypten filterte, stammte von Narus, USA. Der ägyptische Mobilfunkprovider, der sich ohne zu Murren “gezwungen sah” das Netz abschaltete, hieß Vodafone.

Don Dahlmann: Al Jazeera und das Versagen der deutschen Medien

Während man in Deutschland bei mittelschweren Schneefällen und Tintenfischen namens Paul Sondersendungen ohne Ende zeigt, verschont man den Zuschauer im Falle von Ägypten fast vollständig. Es sei denn, man kann in Frankfurt braun gebrannte Urlauber filmen, die mitteilen, dass sie nichts gesehen haben. Dass man keine 24/7 Liveberichte im Hauptprogramm zeigen kann, ist verständlich, aber wofür hat man diese ganzen hübschen Digitalsender, die kaum einer schaut? Und über n-tv oder N24 muss man eh nicht reden.

Telepolis: Das Ende von Mubarak? – Ägypten: Tag der Massenproteste. Auf die Internetsperre kommt es nun nicht mehr an

Auf die totale Internetsperre kommt es nun nicht mehr an: “Facebook ist jetzt der Tarhir-Platz”. Das Internet ist irrelevant für den Protest, so auch der al-Jazeera-Reporter. Mobilfunkverbindungen seien wichtig; zur Stunde istaber noch nicht klar, wie und ob die Netze funktionieren. Die Nachrichten sind widersprüchlich. Worauf es ankommt, ist die Größe und der Eindruck, den der heutige als Millionen-Mega-Protest angekündigte Tag der Oppositionsbewegung sichtbar macht (“The Holy Grail was always to fully mobilize the masses.” Pepe Escobar). Und dafür spielen auch andere Netzwerke und Verbindungen eine Rolle.

via nerdcore 1 + 2

Al Jazeera: Live-Stream, auch über Youtube.

>> tag/egypt

Kleine Presseschau: Was kommt nach Mubarak?

Spiegel: „Mubarak will Ägypten brennen sehen“

Geöffnete Gefängnisse, Plünderungen, Brandstiftungen: Der politische Protest der Ägypter droht in Chaos und Anarchie zu versinken. Verantwortlich dafür sei das Regime selbst, behaupten die Demonstranten. Die Bilder der Gewalt, so ihr Vorwurf, sollen ihren Aufstand diskreditieren. (…)

Wer am Ende wieder für Ordnung und Sicherheit sorgen soll, ist klar: der verhasste, aber vermeintlich unentbehrliche Präsident selbst. Husni Mubarak.

TheEuropean: Aufruhr in Ägypten – Die perfekte Welle

Politik im Mittleren Osten erscheint der westlichen Welt oftmals als Wahl zwischen zwei Alternativen: Diktatorische Regimes oder extremistische Gruppen kämpfen angeblich um die Macht. Diese Vorstellung ist obsolet. Wir sehen momentan – zur Verwunderung vieler Beobachter – die Macht der Jugend. 50 Prozent der Bevölkerung der muslimischen Welt sind jünger als 30. Bisher waren sie oftmals apolitisch. Doch von Tunesien aus verbreitet sich eine Welle der Entrüstung nach Ägypten und in den Jemen.

Blick.ch: Interview mit el-Baradei, 30.01.2011

Der Westen fürchtet, dass nach Mubarak radikal-islamische Kräfte ans Ruder kommen.
Nach einer 30-jährigen Diktatur gibt es immer das Risiko, dass die Revolution von Radikalen ausgenützt wird, um an die Macht zu gelangen. Es ist aber ein Irrtum zu glauben, dass wir nur die Wahl zwischen autokratischen Regimes oder radikal-islamischen Regierungen haben. Es gibt ebenso viele Marxisten, Sozialisten und Liberale.

Die Angst vor der Muslimbruderschaft ist also unberechtigt?
Absolut. Die Muslimbrüder sind eine konservativ-religiöse Gruppierung. Sie besteht aus unzähligen Universitätsprofessoren, lehnt seit 50 Jahren jede Gewalt ab und sagt sehr deutlich, dass sie sich einen säkularen Staat wünscht. Die Muslimbrüder geniessen Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung, weil sie soziale Hilfe leisten, wo der Staat versagt.

Wie würden die Islamisten bei freien Wahlen abschneiden?
Ich gebe den Muslimbrüdern 20 bis 25 Prozent, nicht mehr. Ich glaube, dass dieses Land eine linke Regierung bekommen würde, weil es zunächst darum geht, die Grundbedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Dafür braucht es eine Verfassung, freie Wahlen, das Recht auf freie Meinungsäusserung. Auch die Muslimbrüder werden sich an diese Verfassung halten müssen.

(…) Haben Sie ein Rezept gegen die schleichende Radikalisierung?
Wir müssen demokratisieren, die Fenster öffnen, frische Luft hereinlassen – dann werden Modernität und Mässigung siegen. Wenn die Menschen einen Job finden, eine Familie gründen und ohne Angst reden können, wenn es freie Wahlen gibt, dann wird der Extremismus zur Randerscheinung.

dradio.de: Aufruhr am Nil – Ägyptens Menschen begehren auf

Den Mut, einen Wandel zu initiieren, haben die Menschen auf den Straßen Tunesiens und Ägyptens unter Beweis gestellt. Trotz der Angst um ihr Leben und der Angst vor einem Scheitern. Der deutsche Verteidigungsminister zu Guttenberg wäre daher gut beraten, nicht von der „Gefahr einer infektiösen Dynamik“ in der arabischen Welt zu sprechen – sondern eines zu tun:

Wertzuschätzen, was dort aus eigener Kraft geschieht.

Wikipedia: Unruhen in Ägypten 2011

Zum Schutz vor marodierenden Banden schlossen sich Einwohner in mehreren Städten zu bewaffneten Bürgerwehren zusammen. Viele Demonstranten vermuten, dass das Chaos von der Regierung gewollt sei, um den Widerstand zu diskreditieren; so soll angeblich die Polizei absichtlich Verbrecher freigelassen haben. Die Armee versuchte das Problem in den Griff zu bekommen, wirkte jedoch zeitweise überfordert. Sie versuchte, an einigen strategischen Punkten in Kairo Straßen und Zufahrten abzuriegeln. Am Samstag wandte sich einer ihrer Sprecher in einer TV-Ansprache an die Ägypter und warnte davor „zu stehlen, zu plündern, zu rauben oder Angst zu verbreiten“.

In einer von al-Jazeera ausgestrahlten Fernsehansprache rief Yusuf al-Qaradawi Mubarak auf, das Land zu verlassen. al-Qaradawi ist einer der Führer der Muslimbruderschaft.

heute.de: Wer beerbt Mubarak? (25. Dezember 2010)

Mohammed el Baradei, der ehemalige Chef der Internationalen Atomorganisation und neuer Hoffnungsträger der Opposition, wird nicht antreten. Der liberale El Baradei hätte in der Bevölkerung vermutlich auch nicht genug Rückhalt, um bei Wahlen zu gewinnen, selbst wenn diese nicht gefälscht würden. Etwas besser stehen seine Chancen, seit er sich im Sommer mit der Muslimbruderschaft zusammengetan hat, die ein weit gespanntes Netz von Anhängern hat.
Gemeinsames Ziel der ungewöhnlichen Allianz von Bruderschaft und el Baradei ist mehr Demokratie und die Veränderung der Verfassung: Nach geltendem Recht darf El Baradei als Unabhängiger nicht zu den Wahlen antreten.